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Aufnahmen

Tela veš o baro zählt zu den neve gila, den neuen Liedern, und stammt von Ruža Nikolić-Lakatos und Mišo Nikolić. Der Text handelt von einer harmonischen Szene aus dem traditionellen Roma-Leben. Das ist die freirhythmische, ältere Version des Liedes. Die Aufnahme wurde 1993 im Haus der Familie Nikolić gemacht.

musikalische Transkription auf Basis vom Begleitheft zur CD Amare gila - Unsere Lieder / Our Songs

Ursprünglich sang Ruža Nikolić-Lakatos Tela veš o baro in der langsamen, frei rhythmischen Version. Gemeinsam mit ihrer Familie, The Gypsy Family, adaptiere sie nach einigen Jahren das Lied zu einer schnelleren Version. Grund dafür war eine Anpassung an das Nicht-Roma-Publikum, das kein Romanes versteht. Die Ethnomusikologin Ursula Hemetek erklärt:

Ursula Hemetek

„Der musikalische Veränderungsprozess innerhalb von acht Jahren hat verschiedene Gründe. Einer der wichtigsten ist, dass Ruža 1989 erstmals begonnen hat, für Nichtroma zu singen und dass sich dadurch mit der Veränderung des Publikums auch eine Veränderung des Stils ergeben hat. Wenn sie früher davon ausgehen konnte, dass jedes Wort ihrer Lieder vom Publikum verstanden wurde, und die Zuhörenden auch der Kultur adäquat in einen Interaktionsprozess eintreten konnten, indem sie mit ihr in einen Dialog traten, so sitzen heute hauptsächlich Menschen im Publikum, die kein Wort verstehen. Da für Ruža die Interaktion mit dem Publikum aber nach wie vor ein wichtiger Faktor einer Performance ist, musste sie Mittel und Wege finden, um diese 'Unfähigkeit' des Publikums zu überwinden. Wenn ein österreichisches Publikum mitsingen soll, dann kann das nicht in Romanes erfolgen, sondern man muss neutrale Silben verwenden. Außerdem kann man das Publikum zum Mittanzen bewegen, wenn man einen einfachen Rhythmus verwendet. […] Dazwischen liegt die Zeit der musikalischen 'Erneuerung' aufgrund der Anforderungen des Publikums, aber auch, weil die junge Generation, nämlich Ružas Söhne, die seit 1994 im Ensemble mitspielen, ihren Einfluss geltend machten.“

Die Forscherin reflektiert weiters die Stilunterschiede der beiden Tela veš o baro-Versionen und die Reaktion des Publikums:

Ursula Hemetek

„Während die erste Version im Stil der loke gila, der langsamen Lieder realisiert wird, frei rhythmisch und mit langen, mit Vibrato versehenen Zeilenschlusstönen, wird in der zweiten Version ein Tanzlied daraus. 2/4 bzw. 4/4 Takt wird unterlegt, wobei die Melodie, die zwar die gleichen Tonhöhen beinhaltet, diesem Rhythmus angepasst wird. Der 'beat' wird durchgehend durch einen Synthesizer realisiert. Neu dazugekommen ist der Refrain auf 'la la la la la la', der in der alten Version nicht existierte. Er ist dazu da, das Publikum aktiv singend miteinzubeziehen, und das funktioniert auch meistens sehr gut. Diese neue Version ist durchaus kreativ gestaltet und entspricht den Anforderungen eines Publikums, das kein Wort versteht, und durch die eingängige Moll-Melodie und den bekannten 2/4 bzw. 4/4 Takt sich quasi 'zu Hause' fühlt.“

Quelle:

  • Hemetek, Ursula. (2005). „Das ‚Eigene‘ und das ‚Fremde‘ anhand des Minderheitenschwerpunktes des Instituts für Volksmusikforschung und Ethnomusikologie.“ In: Grupe, Gerd (Hrsg.), Musikethnologie und Volksmusikforschung in Österreich: Das “Fremde” und das “Eigene”? Aachen: Shaker Verlag, 2005. S. 117-135.

 

Nach einigen Jahren kreierten Ruža Nikolić-Lakatos und The Gypsy Family eine schnelle, rhythmische Version von Tela veš o baro. Es wurde ein Refrain mit dem Text bestehend aus „la la la“ hinzugefügt, sodass ein Nicht-Roma-Publikum mitsingen und -tanzen kann. Die Strophen sind mit der früheren Version ident. Die Aufnahme stammt von 2001 und wurde im Rahmen eines Auftritts im Interkulttheater gemacht.

Auf ihrer CD E Trin Worbi, publizierten Ruža Nikolić-Lakatos und The Gypsy Family diese Version von Tela veš o baro.

Kommentare

Im Rahmen eines Auftrittes zur Veranstaltungsreihe Reisende auf dieser Welt im Amerlinghaus 1993 erklären Ruža Nikolić-Lakatos und Mišo Nikolić die Entstehungsgeschichte und den Inhalt von Tela veš o baro. Ruža betont, dass eine typische Szene aus dem traditionellen Leben der Roma beschrieben wird.

Die Ethnomusikologin Ursula Hemetek moderiert Tela veš o baro im Rahmen eines Auftritts im Interkulttheater 1993 an. Sie betont, dass Ruža Nikolić-Lakatos und Mišo Nikolić ein sehr kreatives Paar sind und gemeinsam ungefähr zwei neue Lieder pro Woche kreieren. Sie kommentiert den Entstehungsprozess dieser neve gila, neuen Lieder, und hebt hervor, dass Mišos poetische Texte auf Romanes nur unzureichend auf Deutsch übersetzt werden können.

Liedtext

Strophe 1

Tela veš o baro e Roma bešenas, Am Rande des großen Waldes lagerten die Roma.
e voja kerenas, e šave khelenas. Sie unterhielten sich, die Burschen tanzten.
|: E šave khelenas, šeja gjilabenas, |: Die Burschen tanzten, die Mädchen sangen,
e phure Romenge patjiv sikhavenas :|. und sie erwiesen den Alten Ehre :|.

Strophe 2

E cigne šavora punranges phirenas, Die kleinen Kinder liefen barfuß,
varisave ande vurdona sovenas, und einige schliefen in den Wagen,
|: e Romnja bešenas taj i jag kerenas, |: die Frauen saßen und machten Feuer.
e khajnjan pekenas, anglaj Rom šuvenas :|. Sie brieten und servierten den Männern Hühnchen :|.

Strophe 3

Xanas taj pijenas, e voja kerenas, Sie aßen und tranken und bereiteten einander Freude.
jek avrenge šukar vorbi von phenenas: Sie sagten einander schöne Worte:
|: Te aven baxtale, šeja taj e šave |:Seid glücklich, Mädchen und Burschen,
save kate khelen taj i voja keren :|. die ihr tanzt und feiert :|.

Handschrift von Mišo Nikolić

Video

Ruža Nikolić-Lakatos und The Gypsy Family spielen Tela veš o baro in der modernen Version anlässlich eines Geburtstagsfestes 2014 von Dieter Berner. Ruža Nikolić-Lakatos machte Bekanntschaft mit dem Filmregisseur, als sie in einer Gastrolle für die Krimiserie „Tatort“ (Erstausstrahlung 2005) auftrat. Am Video ist die ausgelassene Stimmung der Feier deutlich zu erkennen. Das Video ist eine private Aufnahme von Ursula Hemetek.

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Bitte zitieren Sie diese Seite wie folgt:

Music and Minorities Research Center, "Tela veš o baro", Ružake gila, zuletzt besucht am Loading date..., doi.org/10.21939/jf6a-dx21