Kana e loli mol pav

Kana e loli mol pav

Genre
langsames Lied
Thema
Gefängnislied
DOI
doi.org/10.21939/r0mh-kv58

Inhalt

Aufnahmen

Kana e loli mol pav ist ein sehr altes Lied. Ruža Nikolić-Lakatos verwendet den alten Text, ändert aber den Namen der Brücke, der im Lied vorkommt. Da sie in Wien lebte, sang sie von der Wiener Brücke, bečesko podo. Das Lied handelt vom Verhältnis zwischen Mann und Frau und von Eifersucht.

musikalische Transkription auf Basis vom Begleitheft zur CD Amare Gila - Unsere Lieder / Our songs

In Kana e loli mol pav wird aus der Sicht eines Roma-Burschen, der im Gefängnis ist, erzählt. Er klagt, dass seine Frau ihn, während er seine Haftstrafe absitzt, betrügt. Deswegen will er, dass die Brücke einstürzt, über die seine Frau immer zu den betrunkenen gaže (Nicht-Roma) geht. Statt bečesko podo (Wiener Brücke) kann auch jede andere Brücke eingesetzt werden. Ruža Nikolić-Lakatos sang immer von der 'Wiener Brücke', da sie in Wien lebte. Im Jahr 1976 stürzte die Wiener Reichsbrücke tatsächlich ein. Seither heißt es bei den Roma scherzhaft, dass Ruža sie mit ihrem Lied zum Einstürzen gebracht habe.

Kana e loli mol pav war das ausschlaggebende Lied, das die Ethnomusikologin Ursula Hemetek dazu bewegte, die Lieder von Ruža Nikolić-Lakatos zu erforschen. Als sie die Sängerin das Lied in der Dokumentation Ihr werdet uns nie verstehen (1988) singen hörte, war sie zunächst fasziniert und verstand noch gar nichts. Erst im Laufe ihrer folgenden Forschungen begann sie, sich dem Verstehen anzunähern:

Ursula Hemetek

„Ich lernte, dass hinter einem solchen [Lied]text eine Lebensphilosophie, die Geschichte eines Volkes, ein ganzes Universum stehen kann. Ich begann zu verstehen, warum mich das Lied beim erstmaligen Hören im Film nicht mehr losgelassen hat. Diesem Stil ist eine große Expressivität eigen und manchmal vermitteln sich auch Inhalte über Melodie und Singstil, ohne dass man den Text versteht; ich habe das öfter erlebt. Aber insbesondere liegt es an Ružas individueller Art zu singen.“

Quelle:

  • Hemetek, Ursula. „Musik der Roma und angewandte Ethnomusikologie: Stufen einer Annäherung.“ In: Roma und Travellers. Identitäten im Wandel, herausgegeben von Thurner, Erika, Hussl, Elisabeth und Eder-Joardan, Beate. Innsbruck: University Press, 2015. S. 173-190.

Auf ihrer CD Ruzsa Shej publizierten Ruža Nikolić-Lakatos und The Gypsy Family diese Version von Kana e loli mol pav.

Kommentare

Ruža Nikolić-Lakatos und Mišo Nikolić erklären der Ethnomusikologin Ursula Hemetek den Text zu Kana e loli mol pav und kommentieren den Überlieferungsprozess. Die Aufnahme wurde bei einem Besuch im Haus der Familie Nikolić 1992 gemacht.

Liedtext

Strophe 1

Jaj de kana i loli mol pav, Wenn ich roten Wein trinke,
sa bajura kerav, mache ich Dummheiten,
sa bajura kerav, mache ich Dummheiten
jaj de terne šejan kamav. und liebe junge Mädchen.

Strophe 2

Jaj de kana e parni mol pav, Wenn ich weißen Wein trinke,
pale bajo kerav, beginne wiederum ich Streit,
pale bajo kerav beginne ich Streit
jaj de šingalen malavav. und raufe mit Polizisten.

Strophe 3

Apal phendas: Wiederum sagte er:
Ande pelem, mamo, Ich bin, Mutter,
ando vesedelmo, ins Gefängnis gekommen,
ando vesedelmo ins Gefängnis
jaj de maškar le falura. zwischen hohe Mauern.

Strophe 4

Jaj de le ma avri, šeje, Hol mich heraus, Mädchen,
po Del me mangav tu, ich bitte dich in Gottes Namen,
na muk, čore, na muk lass mich nicht, Mädchen, lass mich nicht
jaj de terno te xasajvav. so jung zugrunde gehen.

Strophe 5

Jaj de mamo, mamo, mamo, Mutter, Mutter, Mutter,
de la šel koroni gib ihr hundert Kronen,
te šaj kjinel peske dass sie sich
jaj de o lolo de panri. rote Seide kauft.

Strophe 6

Jaj de te šaj žukarel pe Sie soll sich schön machen
jaj de e terne šavenge für die jungen Burschen,
e terne šavenge für die jungen Burschen
jaj de le mate gaženge. und die betrunkenen gaže.

Strophe 7

Jaj de žutisar ma, Devla, Hilf mir, Gott,
haj de na muk te xasajvav, lass mich nicht zugrunde gehen,
te šaj žav me khere dass ich nach Hause gehen kann
jaj de maškar muro nipo. zu meiner Familie.

Strophe 8

Ke phari, mamo, phari, Schwer ist es, Mutter, schwer
phari e robija schwer ist es im Gefängnis,
bešlem ande, šeje, denn ich war schon
jaj de but le beršora. so viele Jahre drinnen.

Strophe 9

Apal phendas: Und er sagte:
Šindjol tele, šeje, Einstürzen soll sie, Mädchen,
jaj de le Bečesko podo, die Wiener Brücke,
te na phires pra les dass du nicht immer über sie
jaj de pala e mate gaže. zu den betrunkenen gaže gehen kannst.
   
Sa tja patjivake, Uschi! Dir ganz zu Ehren, Uschi!

Video

Ausschnitt aus der ORF-Dokumentation Ihr werdet uns nie verstehen (1988), in dem Ruža Nikolić-Lakatos auf der Reichsbrücke in Wien Kana e loli mol pav singt. Der Junge, den man mit einer Gitarre am Rücken über die Brücke gehen sieht, ist Ruža jüngster Sohn, Mischa Nikolić.

Der Film war ausschlaggebend für Ursula Hemeteks langjährige Forschung zur Musik von Roma und Ruža Nikolić-Lakatos im Speziellen:

Ursula Hemetek

„Meine eigenen Forschungen über die Musik der Roma begannen, weil ich von der Musik angezogen wurde, aber mehr noch von der Geheimhaltung, die Teil der Identität dieses Volkes zu sein schien. Was mich anfangs inspirierte, war ein Film über Roma, der im öffentlich-rechtlichen Fernsehen von Österreich gezeigt wurde, nämlich 'Ihr werdet uns nie verstehen'. […] Dieser Film erklärte viel über die Roma in Österreich, über ihre Lebensauffassung, ihre Lebensbedingungen und ihre Geschichte. Eine soziale und kulturelle Dichotomie wurde hervorgehoben, mit den Roma auf der einen Seite und den gaže [Nicht-Roma] auf der anderen Seite. Am Ende des Films gab es ein wunderschönes Lied, das mich tief berührte, obwohl ich nichts über die Musik, die Sprache oder die Bedeutung wusste. Der Film vermittelte mir die folgende Botschaft und in meinem Kopf begannen neue Gedanken zu arbeiten: Es gibt ein Volk, das in meinem Land lebt und stark diskriminiert wird, irgendwie geheimnisvoll, das mir sagte, ich würde sie nie verstehen. Hier war eine faszinierende Musik, die damals in der Öffentlichkeit noch gar nicht bekannt war, und ich erfuhr, dass die Sängerin des bewegenden Liedes in Wien lebte, nicht weit von meinem Wohnort entfernt. So unvertraut mir das letzte Lied und sein Text auch waren, die Qualität des direkten Ausdrucks, die faszinierende Melodie und die Art und Weise, wie es gesungen wurde, überwältigten mich.“

Quelle:

  • Hemetek, Ursula. “Applied Ethnomusicology in the Process of Political Recognition of a Minority: A Case Study of the Austrian Roma.” In: Yearbook for Traditional Music (Vol. 38), herausgegeben von Pettan, Svanibor, Stock, Jonathan P. J. und Niles, Don. International Council for Traditional Music, 2006. S. 39-40. Übersetzt von Eva Leick.

 

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Music and Minorities Research Center, "Kana e loli mol pav", Ružake gila, zuletzt besucht am Loading date..., doi.org/10.21939/r0mh-kv58