Langsame Lieder (loke gila)
Die langsamen Lieder oder Tischlieder der Lovara, mesaljake gila, zeichnen sich durch eine textlich beeindruckende Poesie aus. Sie nehmen inhaltlich auf die wesentlichen Aspekte im Leben der Sänger:innen Bezug und drücken so Erfahrungen und Gefühle aus. Sie erzählen Geschichten, die so mit den Zuhörenden, typischerweise der Familie, kommuniziert werden. Die Lieder fungieren als kulturelles und historisches Gedächtnis der Lovara und geben Aufschluss über den Alltag der Vorfahren, gruppen-eigene Werte und Regeln des Sitten- und Ehrenkodexes und überlieferte Schicksale von Einzelpersonen wider. Die Texte sind voller poetischer Stilmittel und Redewendungen, lassen aber auch spontan eingefügte und veränderte Verse zu (siehe: Die Lovara-Lieder). Sie haben somit auch improvisatorischen Charakter. Die Strophen der langsamen Lieder bestehen jeweils aus vier Zeilen zu sechs bis acht Silben, zu denen häufig charakteristische Füllsilben, etwa jaj, joj, aj und de hinzukommen.
Ein weiteres typisches Merkmal der loke gila ist die Betonung des tatsächlichen Geschehens des Liedinhaltes. Das wird auch in den Feldforschungsaufzeichnungen mit der Sängerin Ruža Nikolić-Lakatos deutlich, die oft die 'wahren Begebenheiten' der Lieder beteuert.
Die langsamen Lieder erzählen traditionell aus der männlichen Ich-Perspektive. Das lässt sich sowohl an grammatikalischen als auch an inhaltlichen Merkmalen feststellen. Wenn Ruža Nikolić-Lakatos singt, übernimmt sie die Erzählperspektive des jeweiligen Liedes, also die 'männliche Sicht'. Im Vordergrund steht jedoch nicht das Geschlecht der erzählenden Person, sondern vielmehr das Ereignis selbst und die damit verbundenen Gefühle.
Musikalischer Aufbau
Den musikalischen Aufbau der langsamen Lieder charakterisieren Gerüsttöne, die immer gleich bleiben. Die Zwischentöne können variieren. Improvisation ist ein wesentliches Element von langsamen Liedern der Lovara. Die Bedeutung der Zeilenschlusstöne lässt sich einerseits durch ihre Längen in den durchwegs frei rhythmisch (parlando-rubato) gesungenen Liedern und andererseits durch das starke Vibrato, mit dem sie die Sängerin versieht, ablesen.
Ein besonders auffallendes Charakteristikum der langsamen Lovara-Lieder ist die Handhabung der Finalis. Der Schlusston, fast immer die melodische erste Stufe, wird entweder durch die melodische siebte oder die zweite Stufe eingeführt. Dies geschieht so, dass der vorhergehende Ton lange ausgehalten und decrescendo gesungen wird, wonach eine Pause folgt. Der Schlusston erklingt sehr leise und oft verhauchend. Der Vortrag erweckt den Eindruck, dass er gar nicht zum Lied gehört, wenn man nicht mit dieser Art des Singens vertraut ist. Die Pause vor dem Schlusston ist ein sinntragendes Element, also ein Charakteristikum dieser Lieder, und gehört zum Vortrag.
Quelle und weiterführende Information:
- Hemetek, Ursula. Mosaik der Klänge. Musik der ethnischen und religiösen Minderheiten in Österreich. Wien: Böhlau, 2001.
- Hemetek, Ursula: „Vergleich von Žo-tar mange žo-tar und Tu gelan‑tar a lumasa, eines langsamen und eines neuen Liedes." In: Amare gila - Unsere Lieder – Our Songs. Ruža Nikolić-Lakatos u.a., eine Dokumentation der Lovaraliedkultur in Österreich. CD mit Begleitheft. In der Reihe: Tondokumente zur Volksmusik in Österreich Vol.4, März 1994, Neuauflage 1998. PDF
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Music and Minorities Research Center, "Langsame Lieder (loke gila)", Ružake gila, zuletzt besucht am Loading date..., doi.org/10.21939/xrd0-kx86